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Erich Moritz von Hornbostel und die empirische Erforschung außereuropäischer Musik
Ein wissenschaftliches Interesse an fremder, exotischer Musik lässt sich in Europa bis in die ersten Tage der Kolonialzeit zurückverfolgen. Missionare, Kolonialherren und Weltreisende fertigten schon früh Studien über die Musik der von ihnen bereisten Regionen an. Das sich in der Aufklärung bildende philosophische Bewusstsein für das Studium fremder Kulturen spiegelt Jean-Jacques Rousseaus Dictionaire de musique (1768) wider: Er enthält Beiträge über europäische Volksmusik, über chinesische Musik wie auch über die Musik indigener amerikanischer Völker. Untersuchungen anhand von Aufnahmen setzen um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit der Erfindung und Nutzung des Edison-Phonographen ein.
Das wissenschaftliche Konzept und die technischen Grundlagen
Als akademische Disziplin wurde die Beschäftigung mit fremder Musik zuerst von Guido Adler genannt. In seinem Schema einer Musikwissenschaft listete er sie als „Musikologie“ und „vergleichende Musikwissenschaft“ auf, mit der Aufgabe, „die Tonproducte, insbesondere die Volksgesänge verschiedener Völker, Länder und Territorien behufs ethnographischer Zwecke zu vergleichen“. (Adler 1885: 14)
Die eigentlichen Gründerväter des zunächst als Vergleichende Musikwissenschaft bezeichneten und heute als Musikethnologie bekannten Fachs waren indes weder Musikwissenschaftler noch Ethnologen. Die Voraussetzungen zur Institutionalisierung der jungen Disziplin wurden von Carl Stumpf an dem von ihm 1893 gegründeten Psychologischen Institut der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität geschaffen. Er beauftragte zwei seiner Mitarbeiter, den promovierten Chemiker Erich Moritz von Hornbostel und den Frauenarzt und Psychologen Otto Abraham mit dem Aufbau einer Sammlung von Klangdokumenten. Ziel sollte die Verfolgung psychologischer Fragestellungen auf empirischer Basis sein, vor allem zur Entwicklung der musikalischen Wahrnehmung. Den im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbreiteten Theorien des Kulturevolutionismus und Diffusionismus folgend, wollten die Wissenschaftler anhand der Untersuchungen fremder Musikkulturen Rückschlüsse auf die Entwicklung der eigenen ziehen. Ihr Konzept einer vergleichenden Wissenschaft leiteten sie von der im 19. Jahrhundert in den europäischen Wissenschaften dominierenden „vergleichenden Methode“ ab. Hornbostel und Abraham skizzierten ihr Ziel in einem 1903 vor der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte gehaltenen Vortrag „Über die Bedeutung des Phonographen für vergleichende Musikwissenschaft“.
„Die vergleichende Musikwissenschaft hätte aus dem gesammelten und kritisch gesichteten Material die Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge der Musikentwicklung in allen Teilen der Erde bloszulegen, die Unterschiede aus den besonderen Kulturverhältnissen zu erklären, schliesslich durch Extrapolation auf die Ursprünge zurückzuschliessen.“ (Abraham; Hornbostel 1904: 225)
In diesem als programmatische Schrift zu wertenden Vortrag gingen die beiden Wissenschaftler, wie der Titel besagt, vor allem auf die wichtigste technische Grundlage der Vergleichenden Musikwissenschaft ein. Denn durch den von Edison entwickelten Phonographen wurde überhaupt erst die Möglichkeit geschaffen, Feldaufnahmen zu machen. Bereits um die Jahrhundertwende gab es tragbare Geräte, mit denen Hornbostel und Abraham Expeditionen und Reisende ausstatteten. (Eine ähnliche Sammeltätigkeit von Tonaufnahmen ging bereits Ende des 19. Jahrhunderts vom Wiener Phonogramm-Archiv aus und wurde auch in Amerika von Ethnologen wie Franz Boas und Frances Densmore betrieben). Die sogenannten Phonogramme, auf Wachszylindern gebannte Aufnahmen, die die Reisenden mitbrachten, wurden dann in Berlin ausgewertet, sprich abgehört und in europäischer Notenschrift transkribiert. Um die Wachswalzen, die bereits durch weniges Abspielen ausleierten, haltbarer zu machen, entwickelte man bereits sehr früh ein Verfahren, mit dem galvanoplastische Abgüsse aus Metall hergestellt werden konnten.
Vom Berliner Phonogramm-Archiv zur Musikethnologie
Die von Stumpf in Auftrag gegebene Sammlung wurde 1905 als Phonogramm-Archiv des Psychologischen Instituts der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin unter Hornbostels Leitung institutionalisiert. 1922 wurde sie an die staatliche Hochschule für Musik in Berlin angegliedert. Hier hielt Hornbostel fortan Vorlesungen unter den Titeln „Einführung in die vergleichende Musikwissenschaft“, „Einführung in die Musikethnologie“ oder „Einführung in die musikalische Völkerkunde“. Sein Ansatz psychologisch-physiologische und kulturhistorische Fragestellungen in einem entwicklungsgeschichtlichen Konzept zu vereinen, kann als theoretische Basis für die sogenannte Berliner Schule der Vergleichenden Musikwissenschaft verstanden werden. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gingen ihre führenden Köpfe, neben Hornbostel auch George Herzog und Mieczyslaw Kolinski sowie enge Kollegen wie Kurt Sachs und Robert Lachmann ins Exil. Das Phonogramm-Archiv wurde ins Magazin des Völkerkundemuseums in Berlin-Dahlem überstellt. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg gingen von hier keine nennenswerten musikethnologischen Impulse mehr aus. Die Gründer der Vergleichenden Musikwissenschaft waren vor allem in den USA an der weiteren Entwicklungen des Faches beteiligt. Genauso wie sich die technischen Möglichkeiten zum Aufnehmen von Klangbeispielen stark verändert haben (heute wird im Feld vor allem mit audiovisuellen Video-Aufnahmen gearbeitet), traten die eurozentristisch geprägten Lehren des Kulturevolutionismus und Diffusionismus in den Hintergrund – sie wurden vor allem durch den von Franz Boas postulierten Kulturrelativismus abgelöst. Das Berliner Phonogramm-Archiv ist heute als Teil des Ethnologischen Museums in Dahlem weltweit eine der wichtigsten Sammlungen historischer Feldaufnahmen.
Musik des Orients: Das Album
Das in der Mediathek der SLUB präsentierte Album Musik des Orients, aufgebaut und erläutert von Univ.-Prof. Dr. E. M. von Hornbostel umfasst 24 Schellackplatten u.a. mit Aufnahmen klassischer chinesischer und japanischer Musik, klassischer Musik aus Indonesien (Gamelan-Orchester aus Java und Bali) wie auch Volksmusik des Inselstaats. Weiterhin ist Musik aus Nordinien (Hindustani), Ägypten und Tunesien enthalten. Bei den Aufnahmen handelt es sich ursprünglich vermutlich um Bestände des Berliner Phonogramm-Archivs. (Schellackplatten als Tonträger und das Grammophon als Abspielgerät lösten bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Phonogramme und Phonographen vor allem in der kommerziellen Verbreitung von Tonaufnahmen ab) Die Veröffentlichung von 1928 über den Berliner Schallplattenkonzern Carl Lindstöm AG stellt möglicherweise den Versuch dar, mit den Aufnahmen, die zuvor nur der Wissenschaft und den Besuchern von Hornbostels Vorlesungen an der Musikhochschule zugänglich waren, ein breiteres Publikum zu erreichen. Vielleicht wollte man auch modische Impulse setzen, feierte doch kaum zwei Jahre zuvor in Mailand Puccinis Turandot Premiere, die Oper über die grausame chinesische Prinzessin, in der der Komponist chinesische Melodien zitierte und fernöstliches Instrumentarium einsetzte. Historisch interessant ist jedenfalls, welche Gebiete hier alle unter dem Begriff Orient subsumiert werden – Länder des Mittleren Ostens, des Fernen Osten und Nordafrikas – weist diese Beobachtung doch direkt auf die Projektionen der Europäer hin, die der Kulturwissenschaftler Edward Said später unter dem Begriff „Orientalism“ fasste.
Jürgen Grzondziel
Literatur
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Abraham, Otto; Hornbostel, Erich Moritz von (1904): „Über die Bedeutung des Phonographen für vergleichende Musikwissenschaft“, in: Zeitschrift für Ethnologie, Berlin, 36. Jahrgang, S. 222-236,
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Adler, Guido (1885): „Umfang, Methode und Ziel der Musikwissenschaft“, in: Chrysander, Spitta, Adler (Hg.): Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft, Leipzig, 1. Jahrgang, 1. Vierteljahr, S. 5-20.
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Brooks; Frow: “Edison, Thomas (Alva)", in: Grove Music Online, Oxford: Oxford University Press (eingeschränkter Zugang, ggf. kostenpflichtig).
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Christensen; Simon; Béhague; Geldenhuys (1997): „Musikethnologie“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik begründet von Friedrich Blume. Zweite neubearbeitete Auflage herausgegeben von Ludwig Finscher (MGG 2), Kassel, u.a.: Bärenreiter, Sachteil Band 6, S. 1259-1291.
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Hornbostel, Erich Moritz von (1905): „Die Probleme der vergleichenden Musikwissenschaft“, in: Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft, Leipzig, 7. Jahrgang, 3. Heft, S. 85-97.
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Hornbostel, Erich Moritz von (1986): Tonart und Ethos. Aufsätze zur Musikethnologie und Musikpsychologie, Leipzig: Reclam.
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Klotz, Sebastian (2003): „Hornbostel, Erich Moritz, Moriz, Ritter von“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik begründet von Friedrich Blume. Zweite neubearbeitete Auflage herausgegeben von Ludwig Finscher (MGG 2), Kassel, u.a.: Bärenreiter, Personenteil Band 9, S. 356-364.
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